Tag 10 - Übernachtung vor Straßburger Schloss

Tag 10 – Sonntag, 08. Juli 2012: Übernachtung vor Straßburger Schloss

Breisach – Rust – Rhinau – Straßburg

 

Suche nach neuem Schlafplatz

Morgens um 5 tröpfelt der Regen durch den Hafenkran und die Pfützen nähern sich meiner Isomatte von allen Seiten so schnell, dass es mir gerade noch gelingt, diese einzupacken und mich anzuziehen. Anfangs verbringe ich im Stehen einige Minuten damit, über den weiteren Verlauf nachzudenken. Als ich in der Morgendämmerung erkenne, dass sich am Wetter so schnell nichts ändern wird, beschließe ich, einen neuen Schlafplatz zu suchen. Und den finde ich überraschend schnell auf dem gleichen Industriegelände und schlafe unter dem Wellblechdach gleich wieder ein. Echt ein Glücksfall, denn ich hatte mich beinahe schon damit abgefunden, im Regen weiterfahren zu müssen.

 

Fahrt ins Elsass

Die Fahrt geht auf der rechtsrheinischen, badischen Seite weiter Richtung Norden – durch den Taubergießen, vorbei am Europa-Park in Rust. Kurz danach nehme ich die Fähre über den Rhein ins elsässische Rhinau. Dort informiere ich mich an der Touristeninformation während dieser Tour zum ersten Mal nach einer Landkarte und erhalte zwei Ausgaben bis hinauf zur nördlich gelegenen Grenze zu Deutschland. Weiter geht die Strecke schnurstracks parallel zum Rhein durch kleine Dörfer, die meist ihre alten Fachwerkhäuser und historisches Aussehen bewahrt haben: Daubensand, Obenheim, Gerstheim, Plobsheim bis in die äußersten Quartiere Straßburgs. Eine schöne Strecke, die Spaß macht. Vor allem spielt auch das Wetter wider Erwarten mit. Bei Iffezheim ist übrigens die letzte Staustufe, danach fließt der Rhein frei.

Zu meiner Schande muss ich gestehen, bisher noch nicht besonders oft im benachbarten Elsass gewesen zu sein. Viel mehr als ein Schüleraustausch, ein Konzert in Neu-Breisach und eine Durchreise bei einer der beiden Radtouren nach Barcelona waren bisher nicht drin. Wieso, kann ich mir nicht genau erklären. Bisher hab ich nie Zweifel daran gehabt, dass die Region sehr sehenswert ist. Und an der Sprache kann es auch nicht liegen – mit meinem Französisch bin ich bisher immer einigermaßen durchgekommen, wieso nicht auch im Elsass? Vielleicht liegt es einfach am Rhein, der hier ganz andere Ausmaße hat als in den ersten Tagen meiner Tour und somit eine deutliche Grenze zwischen Baden und dem Elsass bildet. Und einen Übergang gibt es auch nicht alle paar Kilometer, geschweige denn guten ÖPNV – auch wenn dieser sich (wieder) entwickelt.

 

Zweisprachigkeit

Im Elsass sprechen überraschend viele, denen ich begegne, Deutsch (die Jüngeren) bzw. Elsässisch (die Älteren). Allerdings geht die Zahl der Jüngeren, welche Deutsch bzw. Elsässisch sprechen, seit Jahrzehnten deutlich zurück. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf die zweisprachige Kultur, sondern auch auf die Wirtschaft: Heute gibt es lange nicht mehr so viele in Deutschland arbeitende Grenzgänger wie noch vor ein paar Jahren. Und die meisten jetzigen Grenzgänger werden in wenigen Jahren in Rente gehen. Wer also noch authentisches Elsässisch hören will, der sollte sich beeilen, die Märkte, Plätze und Feste aufzusuchen, auf denen sich Ältere treffen. Dennoch bleibt mir die Region nicht nur als sehr malerisch und sympathisch, sondern auch als zweisprachig in Erinnerung. Dass die Badener oft kein Vorbild in Zweisprachigkeit sind, will ich nicht bezweifeln. Erstens hört man kaum noch makelloses Alemannisch (wobei ich mich selbst nicht ausschließen will) und zweitens nehmen viele badische Grenzbewohner die französische Sprache als aufgezwungen und schwer lernbar wahr und lernen lieber Englisch. Nur haben die Badener – im Gegensatz zu den Elsässern – den Vorteil, dass sie meistens daheim oder sonst wo im deutschsprachigen Raum Arbeit finden, also nicht zwingend eine Fremdsprache benötigen.

 

Breisach, Unterkunft 1
Breisach, Unterkunft 1
Breisach, Unterkunft 2
Breisach, Unterkunft 2
Ernte 1
Ernte 1
Rückenwind
Rückenwind
Blick auf den Kaiserstuhl
Blick auf den Kaiserstuhl
Sand- und Kiesgewinnung
Sand- und Kiesgewinnung
Schwaene bei der Futtersuche
Schwäne bei der Futtersuche
kleine Hindernisse
kleine Hindernisse
Altrhein
Altrhein
Ernte 2
Ernte 2
Problem fuer Radfahrer - Rheinarme
Problem für Radfahrer - Rheinarme
Rust, Europa-Park
Rust, Europa-Park
bei der Herrenkopfbruecke
bei der Herrenkopfbrücke
uebersetzen ins Elsass
übersetzen ins Elsass
Rhinau
Rhinau
Elsass
Elsass
Elsass
Elsass
Elsass
Elsass



Ankunft in Straßburg

Bevor ich ins Zentrum von Straßburg fahre, kehre ich in der Peripherie, in Meinau, wie gewohnt in einem Dönerladen ein. Allerdings geht es mir inzwischen nicht mehr nur ums Essen: Ich fahre fast nur noch Läden an, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Toiletten und Steckdosen im Inventar inbegriffen sind. Mit dem Aufladen des Akkus funktioniert es, auch wenn die junge Bedienung sich etwas tollpatschig und mürrisch anstellt. Ich esse bei trockenem Wetter draußen, allerdings muss ich zwei Mal einen neuen Platz suchen, da sich die Sonne immer wieder hinter den Häusern verzieht. Im Zentrum Straßburgs komme ich am frühen Abend an und habe noch genügend Zeit, um die Altstadt, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, ein wenig zu erkunden. 

Meistens unterhalte ich mich auf Französisch. Nur wenn es nicht mehr geht, weiche ich auf Deutsch, im Notfall auch auf Englisch oder Spanisch aus. Danach versuche ich aber so schnell wie möglich, mich wieder in der Landessprache auszudrücken. Denn ich will mich – oft im Gegensatz zu den jungen Franzosen, die gerne Englisch sprechen – der Landessprache bedienen. Wie immer weiss ich nicht, wie der Abend weitergehen wird. Und ich traue dem aprilhaften Wetter nicht, das sich bei dieser Tour inzwischen schon als Normalzustand erwiesen hat. Dies hilft aber nicht bei der Suche nach einem Schlafplatz. Somit bleibt mir nur die Möglichkeit, das Zentrum zu verlassen und schnurgerade nach Norden, raus aus der Stadt zu fahren. Ich nehme die näher am Rhein gelegene Radstrecke, da ich nicht so lange durch bewohntes Gebiet fahren muss und außerdem hoffe, im bald folgenden Wald eher eine Übernachtungsmöglichkeit wie z.B. eine Hütte zu finden. Immer wieder spreche ich Leute an und erkundige mich nach dem Weg. Insgeheim habe ich auch noch die Hoffnung, dass mich jemand zu sich einlädt, um dort zu übernachten – leider klappt das nicht. Entmutigen lasse ich mich aber nicht und fahre meinen Weg weiter. 

 

Schlafplatz vor dem Schloss

Der Weg raus aus der Stadt wird ruhiger und nicht nur die nahende Nacht lässt es dunkler werden. Auf meinem Weg gibt es immer weniger Straßenlaternen. Am gefühlten Ende der „zivilisierten“ Welt steht ein Restaurant, direkt dahinter fängt der Wald an und bis zur nächsten Ortschaft braucht es einige Kilometer. Tatsächlich ist es das letzte Haus auf Straßburger Gemarkung. Vor dem Weg in die Dunkelheit des Waldes habe ich mir ein Bier verdient und nehme vor dem Eingang Platz. Ich habe Glück, denn eigentlich ist schon geschlossen, aber für den Ausschank eines kleinen Bieres ist die Wirtin noch zu haben. Bei ihr erkundige ich mich, ob sie denn einen nahen Übernachtungsplatz kenne. Sie meint, sie frage drinnen beim Chef nach, ob der vielleicht etwas wisse. Als sie wieder herauskommt, räumt sie das restliche Geschirr ab, kommt aber nicht mehr auf mich zu. Die Fahrt in den Wald und die Suche nach einer Hütte oder Scheune steht somit bevor, da bin ich mir sicher. Zum Bezahlen gehe ich ins Restaurant hinein und treffe dort auf etwa sieben Bedienstete. Sicherheitshalber will ich mich noch mal nach einer Schlafmöglichkeit erkundigen. Bevor es aber dazu kommt, unterhalten wir uns – fast nur auf Deutsch – über meine Radtour. Anscheinend mache ich dem Team einen sympathisch Eindruck, denn sie bieten mir an, unter dem überdachten Nebeneingang des Schlosses Château de Pourtalès“ , für das sie arbeiten, zu schlafen. Das habe ich nicht erwartet. Weder, dass es hier ein Schloss gibt, noch, dass ich hier einen Schlafplatz angeboten bekomme. Ich hatte mich mit der unvermeidlichen Weiterfahrt schon abgefunden und war deswegen nicht einmal schlecht gelaunt. Durch dieses überraschende Angebot ändert sich meine Stimmung sehr ins Positive. Mir wird gesagt, ich müsse nur durch das Tor fahren, dann einfach durch die Allee und zum linken Eingang des Schlosses. Dankbar verlasse ich das Restaurant und begebe mich auf den Weg zu meiner Übernachtungsstätte. Nach der langen Allee kommt eine große runde Wiese, die vor dem malerischen, prächtigen Schloss liegt. Sein Aussehen passt genau zu dem, wofür es auch genutzt wird: Empfänge, Hochzeiten, Seminare. Auf der Wiese stehen einige europäische Flaggen nebeneinander, was symbolisch zu meiner Tour passt. Der überdachte Platz vor dem Nebeneingang ist groß genug für mich und das Fahrrad. Hier würde es nur bei starkem Wind reinregnen. Schlafen vor einem Schloss – welch ein Glück! Und mein Tagesziel habe ich auch erreicht.

 

Tipps für andere Reisende:

-      Neubreisach: gehört zu den Festungsanlagen von Vauban (UNESCO-Weltkulturerbe), geometrisch angelegt 

      -      Straßburg: viele europäische Einrichtungen – aufgrund derer sich die Stadt als die „Hauptstadt Europas“ sieht; hat das nach Berlin zweitgrößte Ensemble an Architektur der deutschen Kaiserzeit; die Brauerei von Kronenbourg ist nicht unbedingt ansehnlich, das Bier ist in England, wo ich es erst kennengelernt habe (2011-2012), aber sehr populär. Hier ein bewusst klischeebeladener, aber amüsanter Werbespot.

 

    Strassburg
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Strassburg, Muenster
Straßburg, Münster
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Straßburg
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Strassburg, Chor vor dem Muenster
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Unterkunft vor dem Schloss
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Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 18:40:27