Tag 029 - Ins Romaviertel von Roman

SA, 25.04.2015 – Ins Romaviertel von Roman

Onești – Roman

 

Ich komme erst kurz vor 12 los. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h könnte ich also erst gegen 21 Uhr in Iași ankommen. Allerdings ohne Pause. So fahre ich schnell aus der Stadt raus, die außer der Natur um sie herum wirklich nichts Anziehendes zu bieten hat. Anfangs geht es ziemlich bergauf. Und ich habe kaum Kraft. Nicht, weil ich mich gestern überanstrengt habe, sondern weil ich gestern Abend im Gegensatz zu meinen sonstigen Gewohnheiten fast nichts gegessen habe. Heute früh gab es nur ein Stück Pizza, das ich mir gestern noch gekauft habe.

Bis zur nächsten Stadt Bacău ist der Asphalt oft in grausigem Zustand, der mich an meine Fahrt durch Polen erinnert. In manchen Dörfern sind hier zuhauf Pferdewagen unterwegs, Autos so gut wie gar keine. Wie mir zuvor in Timișoara gesagt wurde, ist es tatsächlich eine recht arme Region. Die Menschen scheinen hier oft allein von der Landwirtschaft zu leben. Also oft Arbeit auf dem Feld und Acker von Hand, Hühnerhaltung vor dem Haus. In manchen Dörfern werden vor der Haustür Kartoffeln und Zwiebeln verkauft. Das Wasser in den Straßendörfern kommt oft noch aus Brunnen, die vor dem Haus stehen.

Trotz der offensichtlichen Armut finde ich, dass es hier schön aussieht. Sicherlich ist Einiges renovierungsbedürftig, aber zerfallen ist es nicht. Was mir allerdings schon mindestens seit Ungarn auffällt, sind die vielen Rohbauten, die zwar schon mit einem Dach bedeckt sind, die Fenster aber nur notbeschlagen und die Häuser offensichtlich unbewohnt sind.

Was mir außerdem erneut auffällt, ist die wunderschöne, bunte Hügellandschaft, die diese Region prägt. Da ich es aber eilig habe, kann ich oft nur durchfahren, ohne einige schöne Motive einzufangen. Vor allem muss ich mich zu 100% auf den sehr schlechten Straßenbelag konzentrieren, um die Löcher und Rillen zu umfahren.

 

 

Nach Bacău

Durch Bacău fahre ich einfach durch. Meine Hoffnung, hierbei ein Fast food zu finden, wird nicht erfüllt. Ich habe weder Zeit noch Lust, in einem Restaurant aufs Essen zu warten. Ich benötige einfach neue Kraft durchs Essen, um dann gleich weiterzufahren. Sonst bleiben mir von hier besonders Kinder und Jugendliche in Erinnerung: Jungs, die aus einer Tüte inhalieren und so durch die Straßen laufen oder mit schätzungsweise 12 Jahren mit der Familie auf einer Kutsche sitzen und rauchen. Oder die kleinen Mädchen (ca. 6), die an Ampeln die wartenden Autofahrer um Geld anbetteln.

Wenigstens sind die Straßen ab hier viel besser, sehr gut befahrbar. Raus aus der Stadt entscheide ich mich, das Ziel Iași für heute aufzugeben und auf morgen zu verschieben. Denn die Ankunft dort könnte bis zum Einbruch der Dunkelheit nur gelingen, wenn ich durchgehend starken Rückenwind hätte. Und das ist bei der momentanen Lage sehr unwahrscheinlich. An einer stillgelegten Tankstelle mache ich Halt, esse meine restlichen Lebensmittelvorräte und halte während dieser Tour meinen ersten Mittagschlaf an einem "Aktivtag".

Nicht nur hier, sondern auch in den anderen von mir bisher bereisten Teilen Rumäniens wird noch viel per Anhalter gefahren. Und zwar nicht von jungen Leuten, die gerade in den Urlaub wollen. Sondern von Leuten, die kein Auto haben und in den nächsten Ort wollen. Ob dafür ein Entgelt verlangt wird, weiß ich nicht.

 

 

Roman

In Roman angekommen, hoffe ich, dass mich jemand zur Übernachtung zu sich einlädt. Schließlich habe ich die letzten Nächte bezahlt und werde es die nächsten ziemlich sicher ebenso machen. In dieser Stadt, die wohl kaum Touristen anzieht, scheinen die Leute wohl an mir interessiert zu sein. Im Zentrum ist heute viel los, denn in einer zentral gelegenen Schule ist heute ein Dance Competition. Einen direkten Nutzen kann ich daraus aber nicht ziehen. Wenigstens erhalte ich die Info zu einem günstigen Hotel. Da es aber erst 19:30 ist, fahre ich innerhalb der Stadt lieber an einen Punkt, an dem ich den wunderschönen Sonnenuntergang sehen kann. Dabei gerate ich in ein Viertel, das sich optisch durch die einstöckigen Häuser sehr positiv vom stalinistischen Baustil des Zentrums abhebt. In dem Viertel wohnen vor allem Roma, die mich bei meiner Nachfrage nach dem Hotel zu einer anderen, ebenso günstigen Unterkunft weiterleiten. Die fehlenden Grad Celsius der letzten Unterkunft bekomme ich hier doppelt zurück. Die Heizung läuft volle Pulle und man kann sie nicht abstellen, meint die Chefin. Vielleicht ist das eine ganz gute Vorbereitung auf die Temperaturen, die mich spätestens im Iran erwarten werden.

 

Am Abend laufe ich noch durch das Viertel und das Zentrum. Mit dem Geld ist es hier komisch: Jeder scheint einen Haufen Scheine bei sich zu haben. So etwas wie einen Geldbeutel haben die Wenigsten. Man steckt es einfach in die Tasche, und das bündelweise. Bei der Rückkehr treffe ich noch einen Istanbuler, der hier in einem Restaurant arbeitet. Er warnt mich vor dem Viertel, da hier sehr viele Roma wohnen. Ich fühle mich aber sehr sicher. Mein Problem ist ein anderes: Ich komme nicht wieder zur Tür hinein. Die Chefin ist wohl noch drinnen, schläft aber tief und fest, da hilft alles Anklopfen an die Tür nicht. So nehme ich einen Holzstock und werfe ihn an das Fenster im zweiten Stock, an dem noch Licht brennt. Das junge Paar bemerkt dies aber erst, als er zufällig durch den kleinen Schlitz zwischen fliegt. Sie öffnen mir die Tür, wobei auch die Frau wach wird.

 

Zur Sprache: Mit Deutsch kommt man hier so gut wie gar nicht mehr durch. Mit Englisch nur bei den Jüngeren. Aber was soll‘s? Meistens stelle ich ja Fragen nach dem nächsten Ort oder einer Unterkunft. Dazu muss man keine Fremdsprache können, ganze Sätze schon gar nicht.

 

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