Tag 112 - Ende des Ramadan

FR, 17.07.2015 – Ende des Ramadan

Takab – Bidschar

 

Verlassen des Hotels

Da ich ohne Last weiterfahren will, starte ich erst, als alle Berichte bis inklusive dem für gestern ins Netz gestellt sind und alle über den Verteiler darüber informiert sind. Das dauert! Und ich lasse meine kaputte Winterjacke aus England von 2009, eine türkische Landkarte von 2007 und mein doppeltes Reifenflickzeug zurück im Hotel. Ich brauche alles nicht mehr und habe somit mehr Platz für Getränke.

Einer der Angestellten hat mich übrigens gefragt, ob ich Nietzsche kenne. Ich habe bejaht, aber auch gesagt, dass ich nicht mit Details dienen kann. Jedenfalls wurde mir dadurch klar, warum er und sein anscheinender Bruder wie Nitzsche einen langen Schnauzer und sonst einen „normalen“ Vollbart tragen.

In Bezug auf Autos sollte das hier ein Traumland für mich sein: meinen Führerschein habe ich 1999 gemacht und Autos von damals gibt es hier noch zuhauf. Von den modernen Autos bin ich inzwischen überfordert – nur noch Technik- und Computerkram, den man zum Fahren eigentlich gar nicht benötigt.

 

 

Ende des Ramadan

Schon bevor ich starte, hat die heutige Fahrt etwas sehr Positives: das Ende des Ramadan! Nach einem Monat kann ich jetzt wieder essen und trinken wann und wo ich will, brauche mir nicht einen Sichtschutz suchen oder damit rechnen, dass es nur abends für kurze Zeit etwas Warmes zu essen gibt. Wer die Berichte vor allem der letzten Tage gelesen hat, weiss, dass ich trotz des Ramadan vor allem im Iran von Fremden sehr großzügig Essen und viel zu Trinken geschenkt bekommen habe. Und mich hat nie jemand dafür kritisiert oder gar beschimpft, wenn ich tagsüber gegessen oder getrunken habe. Aber ich fühle mich jetzt einfach freier.

 

Fahrt nach Bidschar

An der ersten Kreuzung halte ich an und frage einen Mann am Straßenrand, wo es nach Bidschar gehe. Die Antwort kommt gleichzeitig von ihm, einem Autofahrer und einem Mann auf der anderen Straßenseite. Die Hilfsbereitschaft in diesem Land ist wirklich unglaublich. Kurz darauf fahre ich an zwei älteren Männern vorbei, die mir zurufen „Hello, thank you!“. Das "Thank you!" werde ich übrigens noch oft von Fremden zu hören bekommen. Wahrscheinlich lernen die es hier mit einer falschen Übersetzung, denn es ist mir bisher sonst noch nirgends als Begrüßung begegnet.

Heute hat es viele Wolken und ist lange nicht so heiß, weswegen ich bei weitem nicht so viel trinken muss wie in den letzten Tagen. Dafür weht mir ein starker Wind entgegen – er hat mich nach einigen Tagen Ruhe also wieder gefunden. Es wäre ja zu schön gewesen, wenn die ganze Zeit im Iran gutes Fahrwetter wäre. Erschöpft komme ich auf einem Berg an. Dort oben wartet aber schon eine Erfrischung: Ein Mann macht dort mit seinen beiden kleinen Töchtern (ca. 5-8) Pause, die mir aus dem hinteren Autofenster zuwinken und laut und sehr erfreut „hello“ zurufen. Die ehrliche Freude und Offenheit machen die ganze bisherige Anstrengung wieder wett.

Anfangs habe ich 90 Minuten ertragbaren Gegenwind, dann gemischt. Die letzten 10-15 Kilometer geht es bergauf und bergab. Ich bin es einfach nicht mehr gewöhnt und habe beidseitig starke Knieschmerzen vom Kampf gegen den Wind. Für einige wenige Momente spüre ich wieder den Pulsschlag im Ohr, den ich von sehr anstrengenden Fahrten kenne. 5 Kilometer vor dem Ziel mache ich beinahe schlapp, kämpfe mich aber durch.

Das Schimpfen gegen Autofahrer habe ich mir daheim angewöhnt. Ausgeprägt habe ich es aber auf meinen Velotouren, und ich kann es hier im Iran noch ausprägen.

 

 

Ismael in Bidschar treffen

In Bidschar angekommen, mache ich vor einem großen Familienpark mit einer Vollbremsung spontan Halt vor einem Mann und zwei Rollstuhlfahrern. Ich erkundige mich zuerst nach einem Restaurant, dann einem Hotel. Der Mann, Ismael (38) bietet mir an, mich mit dem Auto zum Hotel zu führen. Aus Erfahrung mache ich gleich klar, dass er langsam fahren soll und er sagt zu. Er fährt tatsächlich langsam und wir sind trotzdem gleich vor dem Hotel. Bevor ich reingehe erkundige ich mich bei ihm nach dem Preis, der aber deutlich zu hoch ist. Spontan lädt Ismael mich zu sich ein. Er ist kurdischer Ingenieur, mit den beiden mir bekannten kurdischen Wörtern kann er aber nichts anfangen. Kein Wunder: In diesem Teil des Iran spricht man ein anderes Kurdisch (Sorani/ Zentralkurdisch) als in der Türkei (v.a. Kurmandschi/ Nordkurdisch).

Meine Sachen packen wir ins Auto und fahren erst zu einem Kindergarten, zu dem er den Schlüssel hat. Dort laden wir das Velo ab und fahren zu ihm. Nachdem ich geduscht und meine Sachen abgeladen habe, holen wir seine Familie ab und fahren zum gleichen Park wie vorher und machen ein Picknick. Zum Reden gibt es für mich nicht viel, da nur er Englisch kann und das auch nicht viel. Aber ich finde es sehr angenehm. Es sind viele Familien hier. Die Mutter eines Freundes lädt mich zig Mal ein, bei ihr zu übernachten und Mittag zu essen, ich lehne aber dankend ab, denn ich sollte morgen deutlich früher raus als heute.

Nachts schauen wir noch ein paar Videos von Ismaels Gleitschirmflügen an.

 

 

 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:50:14

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