Tag 083 - Erste kostenlose Übernachtung nach über fünf Wochen Türkei

DO, 18.06.2015 – Erste kostenlose Übernachtung nach über fünf Wochen Türkei

Van – Muradiye

 

Heute beginnt für die Muslime der Fastenmonat Ramadan, der bis zum 16. Juli dauert. Das bedeutet, dass man zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang weder essen noch trinken soll. Das bedeute auch für mich, mich aus Achtung vor den Fastenden nicht unbedingt in der Öffentlichkeit zu ernähren. Obwohl ich sogar als Muslim – neben Kindern, Alten, Kranken und Schwangeren – als Reisender nicht zum Fasten verpflichtet wäre.

 

Durch den Zaun in die Altstadt von Van

Nach einem ausgiebigen Frühstück entdecke ich, dass ich mit einem anderen Browser einigermaßen gut arbeiten kann, die Verbindungen werden aber immer wieder unterbrochen. Einen weiteren Tag will ich aber nicht für meinen Laptop opfern, dafür ist mir die Zeit zu knapp. Falls es weitere Probleme damit geben sollte, werde ich mich in Aserbaidschan oder Iran darum kümmern. Aber jetzt soll es erst mal mit der Tour weitergehen. So fahre ich zum Burgberg von Van. Hinauf auf die riesige Anlage will ich aber nicht, da war ich schon 2007, und die Zeit ist wie gesagt knapp. Dafür will ich mir das Gelände unterhalb des Felsens anschauen, wo sich das alte Van befand. So fahre ich zuerst am Zugang zum Berg vorbei und versuche, an den Vansee zu kommen. Das es aber keinen öffentlichen Zugang gibt, drehe ich wieder um und fahre an der Burg vorbei zum Park, um vielleicht auf die andere Seite des Berges zu kommen. Dort fahre ich rein, gehe inzwischen aber davon aus, dass die Altstadt von Van, von der nur noch sehr wenige Gebäude teilweise bestehen, ein unzugängliches Gelände ist. So ist es auch, das ganze Gebiet ist umzäunt. Aber jeder Zaun hat ein Loch. Und das sowieso, wenn es auch andere Leute gibt, die auf das Gelände wollen. Mir wird sofort klar, dass ich mit meinem Rad bestens dazu ausgerüstet bin, das Gelände zu erkunden. Ich passe mit dem Rad optimal durch die Öffnung. Ein Motorrad wäre zu groß, für einen Spaziergang hätte die Strecke zu lange gedauert. Die Grünfläche ist gerade abgebrannt worden, an manchen Flecken qualmt es noch. Es sind auch 2 Männer mit Anzug unterwegs, von denen ich anfangs denke, sie sind wohl dafür zuständig, dass die Touristen, für die es wohl doch auch einen offiziellen Eingang gibt, nichts anstellen. Später stellt sich meiner Vermutung nach jedoch heraus, dass der Zugang wirklich verboten ist. Geplant habe ich diese Fahrt nicht, sie ist aber eine der besten Aktionen meiner ganzen Tour. Durch die Fahrt über zwei deutlich erkennbare Hauptstraßen wird mir klar, dass die Überreste der zuletzt 1920 bewohnten Stadt wohl nicht mehr lange stehen bleiben. Die Zeit und die Witterung haben den wenigen noch stehenden Bauwerken schon ziemlich zugesetzt. Die Türkei tut offensichtlich zu wenig für den Erhalt ihrer kulturellen und historischen Schätze.

 

 

Autounfall und bisher gefährlichste Hunde

Ab jetzt beginnt wieder ein neuer Teil der Reise. Weiter als bis hier bin ich noch nie in den Osten gekommen, weder mit dem Bus noch mit dem Velo. Ich bin sehr gespannt auf das, was mich ab jetzt erwartet. Durch den späten Start und den langen Aufenthalt um die Burganlage herum ist mir klar, dass ich heute nicht sehr weit kommen werde. Also nur bis zu meinem heutigen Minimalziel Muradiye. Bei der Fahrt raus aus der Stadt fragt mich ein älterer Herr, ob ich aus Griechenland („Yanunistan“) komme. Premiere. Die Fahrt am See entlang geht manchmal landeinwärts und ist etwas hügelig. Vor allem hat sich die Landschaft wieder Einiges bei ihrer Formgestaltung einfallen lassen. Und das Wetter ist heute nicht gegen mich, es ist nur etwas heiß.

Am späten Nachmittag höre ich hinter mir etwas, das sich anhört wie ein sich nähernder Düsenjäger. Doch das Geräusch stimmt nicht ganz damit überein und ist eindeutig zu nah am Boden. So drehe ich mich um und sehe, wie gerade ein Auto in die Böschung gerast ist. Sofort fahre ich zurück, um nachzuschauen, ob sich jemand verletzt hat. Als ich ankomme, ist der Fahrer schon ausgestiegen und lehnt sich mit beiden Händen auf die Motorhaube. Er scheint in Ordnung zu sein, Wasser will er keines. Wenige Sekunden darauf sind auch die Fahrer des Autos hinter ihm da und Leute aus der Gegend. So verziehe ich mich wieder, bleibe aber einen Augenblick am Straßenrand stehen. Wie das passiert ist, ist mir nicht ganz klar. Einen geplatzten Reifen habe ich nicht gesehen, auch wenn ich mir das Auto nicht ganz genau angeschaut habe. Auch aus den Bremsspuren werde ich nicht schlau. Das Auto steht auf jeden Fall um 180 gedreht zur Fahrtrichtung.

 

 

 

Am nordöstlichen Zipfel verlasse ich den See. Kurz vor 8, also bei der Dämmerung, in Muradiye angekommen, wird mir gleich klar, dass ich hier nicht bleiben werde. Das erste Mal werde ich in der Türkei von Hunden verfolgt. Und nicht nur ein paar Meter lang, sondern eine Minute lang rennen rechts und links von mir zwei kräftige und laut bellende Hunde hinterher, manchmal kommen sie mir beängstigend nahe. Da bei der Einfahrt ins Zentrum der Kleinstadt noch weitere Hunde vor den Industrieanlagen sind und ich wieder schräg zurückfahren müsste, um dort hin zu kommen, lasse ich es. Und ich bezweifle sowieso, dass es dort ein Hotel gibt. So fahre ich bei einbrechender Dunkelheit weiter, raus aus der Stadt.

 

Erste kostenlose Übernachtung nach über 5 Wochen Türkei

Der Himmel ist klar und es ist sehr angenehm zu fahren. Nach gut 10 Minuten kommt eine Tankstelle, bei der ich die beiden jungen Männer (ca. 20 und 25) frage, ob ich dort übernachten könne. Kein Problem, das ist in Ordnung für die beiden. Ich kann im unteren Teil des Doppelstockbettes schlafen. Außerdem erhalte ich ein großzügiges Abendessen. Sprachlich läuft wieder nicht viel, das ist aber kein Problem. Im Büro kann ich an meinen Berichten arbeiten, während die Jungs ihre schriftliche Verwaltungsarbeit machen. Später kommt auch der Chef vorbei. Es ist wirklich angenehm: Ich kann einfach da sein, muss nichts erzählen in einer Sprache, die sowieso niemand versteht und habe ein paar nette Menschen um mich herum.

Und ja, es ist bei dieser Tour die erste kostenlose Übernachtung in der Türkei, in der ich seit über 5 Wochen bin. Und es wird auch die letzte sein. Andere übernachten kostenlos durch Couchsurfing oder andere Netzwerke. Das habe ich bisher aber nicht gemacht, weder auf dieser noch auf einer anderen Tour. Ich habe einfach Leute angesprochen, mich mit ihnen unterhalten oder nach einem Hotel gefragt. Bisher hat sich dabei oft ein Angebot für mich ergeben. Bei dieser Tour war es leider überhaupt nicht so. Ausnahme war die erste Tankstelle in Afşin, von der ich dann aber geflüchtet bin. Dies ist keine negative Beurteilung des Landes, auch wenn ich durch meine bisherigen Reisen durch die Türkei von etwas mehr Offenheit ausgegangen bin. Es ist nun mal einfach so gelaufen.

 

Bis zur Grenze nach Aserbaidschan sind es laut Google maps noch 303 Kilometer und ich habe heute 100 geschafft. Allerdings sind davon mindestens 10 für die Fahrt zur Altstadt von Van draufgegangen. Morgen muss ich also ein wenig nachholen, was aber machbar sein wird.

 

 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:40:38

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