Tag 059 - Schule der Jesuiten ist geschlossen und kein Visum für den Iran

MO, 25.05.2015 – Schule der Jesuiten ist geschlossen und kein Visum für den Iran
Ankara

Kein Visum von der Iranischen Botschaft
Erste Aufgabe des Tages ist es, bei der Botschaft des Iran vorbeizuschauen, wobei ich nicht damit rechne, dort ein Visum zu erhalten. Ich komme zwar nach nicht mal zehn Minuten dran, mir wird aber gesagt, ich solle zuerst zu Shida Tour, um dort mein Velo registrieren zu lassen. Jedenfalls verstehe ich es so. Das Geschäft ist nur wenige hundert Meter entfernt und ich finde es gleich. Ebenso schnell ist allerdings auch geklärt, dass ich hier um nichts bitten brauche. Sie meinen nämlich, ich bräuchte zuerst eine Referenznummer. Und die erhalte ich laut früheren Informationen nicht mehr, ebenso andere, die mit dem Velo, Motorrad oder Auto ins Land reisen. Wenn, dann erhält man das Visum angeblich direkt an der Grenze. Ich werde also sicher nicht weitere Tage hier warten, um dann zu erfahren, dass es für mich keine Referenznummer gibt, da ich ja mit dem Velo einreisen werde. Somit werde ich meine Tour ohne Visum für den Iran fortsetzen, weiterhin in der Annahme, es an der aserbaidschanisch-iranischen Grenze zu erhalten. Und ich gehe weiterhin davon aus, dass das klappen wird.
Am Mittag regnet und hagelt es ziemlich heftig. Da ist es mal ziemlich angenehm, drinnen zu sein.

 

 

Treffen mit Nader Awadallah vom Flüchtlingsdienst der Jesuiten
Am Abend holt mich Nader, der Projektleiter der Jesuiten in der Türkei, am Hostel ab und wir gehen zusammen in ein Café. Geboren wurde er in Bethlehem, sein Leben hat er in Beirut, Gaza und Ägypten verbracht und wohnt nun seit 11 Jahren in der Türkei. Wir haben ein sehr nettes und informatives Gespräch. Er berichtet mir, dass in der Türkei Flüchtlinge aus zig Nationen leben, in den Medien werden aber in der Regel nur die Syrer genannt. Meist werden nur negative Aspekte berichtet. Das verstärkt die Spannungen zwischen den Flüchtlingen und der lokalen Bevölkerung. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Der Schule, die ich durch meine Velotour unterstütze, wird es vom Staat her nicht einfach gemacht. So wird zum Beispiel hinterfragt, warum man nicht – wie manche andere NGOs – den Koran lehrt und die Kinder nur „Normales“ lernen. Auch die Polizei hat schon öfter vorbeigeschaut. Man wird verdächtigt, die Schüler – von denen alle aus Syrien kommen und die so gut wie alle muslimisch sind – christianisieren zu wollen. Aufgrund dieser schwierigen Situation ist die Verwaltung der Jesuiten nicht dort oder im Haus nebenan, sondern in der Apostolischen Nuntiatur (= diplomatische Vertretung des Vatikan) untergebracht. Leider erfahre ich, dass die Schule am Tag meiner Ankunft geschlossen wurde. Dies geschah nicht aufgrund der dreimonatigen Sommerferien (welche erst am 12. Juni beginnen), sondern wegen Problemen im Viertel. So gab es zum Beispiel fünf durch Messerstiche verletzte Syrer und zerstörte Glasscheiben in der ganzen Straße (was nicht direkt mit der Schule zusammenhängt). Ich bin also mitten in eine sehr blöde Situation hinein geraten.

Zu den syrischen Flüchtlingen
Als ich 2007 in Syrien war, lebten unter den etwa 20 Millionen Syrern viele, die bzw. deren Eltern aus Palästina geflüchtet sind. Daneben waren in dem Land etwa eine Million Flüchtlinge aus dem Irak. Nun sind wieder sehr viele auf der Flucht, teilweise zum wiederholten mal. Wie ich es hier selbst mitbekomme, werden viele Konflikte verlagert oder entstehen neu.
Von den etwa 4 Millionen Syrern, die ins Ausland geflüchtet sind, leben momentan etwa 60.000 in Deutschland. In der Türkei, die fast gleich viele Einwohner hat, sind dagegen 1,8 Millionen (1.800.000) Flüchtlinge. Schätzt man jedenfalls. Denn wer über die etwa 900 Kilometer lange Grenze in die Türkei kommt, wird kaum registriert. Hilfe, zum Beispiel vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen, wird von der türkischen Regierung aber abgewiesen. Und dass die Flüchtlinge nicht nur vorübergehend da sind, wird bei der momentanen Lage in Syrien kaum einer bezweifeln. Falls sie wieder wegziehen sollten, dann nach Europa. So wie der junge Syrer, den ich im Hostel in Istanbul getroffen habe und der dann nachts mit dem Bus illegal nach Berlin gestartet ist. Im Libanon ist es übrigens noch extremer, dort gibt es neben den 4 Millionen Einwohner 1 Million Flüchtlinge aus Syrien.
Viele der Flüchtlinge führen kein beneidenswertes Leben, viele leben in „Gecekondular“, illegalen Baracken vor den Metropolen. Da viele arm sind, gehen die Kinder nicht zur Schule, sondern arbeiten. Auch viele Ausgebildete arbeiten, allerdings für weniger Geld als die Türken. Einerseits können die Türken so günstiger leben, haben aber auch eine starke Konkurrenz bei der Suche nach Arbeit. Allerdings meckern viele Türken, dass die Flüchtlingsfamilien angeblich bis zu 1000 TL pro Monat erhalten, dazu kostenfreie Wohnungen und nicht arbeiten müssen. Das stimmt zwar nicht, heizt aber die Stimmung auf; und dass dies eine sozialpolitische Zeitbombe ist, habe ich jetzt selbst direkt gespürt. Also beste Voraussetzungen für extremistische Gruppen auf beiden Seiten. So zum Beispiel bei der Parlamentswahl am 7. Juni. Viele meiner türkischen Kontaktpersonen sehen eine kommende Diktatur im Lande, der Prozess dahin ist in vollem Gange.

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:31:15

Tag 059 - Schule der Jesuiten ist geschlossen und kein Visum für den Iran Menu